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Mit Gott durch die Not

Jeder kennt sie, keiner will sie; Probleme. Und zwar die Sorte, die sich scheinbar komplett unserer Kontrolle zu entziehen scheinen.

Manchmal ist es die Einsamkeit, sei sie durch die derzeitige Zwangs-Isolation verursacht oder durch tiefsitzende Trauer oder gar Depressionen, die einen inmitten guter Freunde und lieb gewonnener Menschen dennoch das Gefühl geben, der einsamste Mensch dieser Erde zu sein.

Manch einer mag einen Verlust erlitten haben – Ein Liebster ist gegangen, das Kind ist abgehauen, der Job ist weg, die Zukunft so ungewiss.

Und wieder ein Anderer hat vielleicht einfach nur Angst. Im Hier und Jetzt, vor der Zukunft, vor anderen Menschen oder vor dem, was sie von einem halten mögen.

Was ist, wenn ich Dir/Ihnen sage, dass all dies allzu menschlich ist? Richtig, das weiß man schon, ist also nichts neues, oder?

Was ist, wenn ich Dir/Ihnen sage, dass all dies ungöttlich ist? Da wird es schon enger, richtig? Aber ist Gott Sorge, Not, Trauer und Knappheit oder ist er Friede, Versorgung, Trost, Kraft… (diese Liste ist wirklich lang).

Was ist aber, wenn ich auch sage, dass all dies von Gott genutzt werden kann (nicht im Sinne von verursacht)? So wie ich einst, schalten hier die meisten Menschen ab. Gott ist doch Liebe, Schutz, Trost, er liebt es uns zu beschenken und zu segnen. Warum sollte er also Schlimmes nutzen wollen?


Es klingt banal, aber Gott kann aus Schlechtem, Gutes machen. Aber wie? Was können wir tun?

Mal aus dem Nähkästchen geplaudert: Genau diese Frage war es, die mir neulich bis in den späten Abend hinein das Genick gebrochen hat! “Was soll ich/kann ich noch tun?” Wie reagieren wir denn, wenn Gott sagt: „Nichts! Dies und jenes ist NICHT DEINE Aufgabe…“ oder “Das ist jetzt nicht dran!” Aber man ist doch Christ und muss schließlich etwas tun, sich in seinem Reich nützlich machen oder mehr beten, damit das Problem verschwindet etc. – so denken wir doch oft. Oder ein Problem löst sich einfach nicht auf – ich tue und mache und im Leben geht es an manchen Punkten seit knapp 20 Jahren nicht einen Millimeter weiter, während Andere mühelos (so scheint es) gesegnet werden und an einem vorüberziehen. Und eines Tages kommt einfach alles zusammen und der Kopf und die Seele sagen “jetzt reicht’s, ich kann nicht mehr!” Hier liegt glaube ich ein großes Geheimnis: Ich glaube, Gottes Ziel mit uns ist es, dass wir die Fähigkeit zu warten entwickeln, Ihm alles in die Hände geben. Oh und da übe ich noch dran, dass kann ich euch sagen!

Ich beobachte in der letzten Zeit, wie viele Menschen sich aufmachen um zu helfen und mich freut es wirklich sehr. Studenten schwärmen aus und kaufen für Risikogruppen ein, die wegen Corona nicht raus können, Gemeinden bleiben digital ermutigend aktiv und ansprechbar. Da stellt man sich schnell die Frage: Mache ich eigentlich genug, Herr, für dein Reich? Gefalle ich dir eigentlich noch, wenn mir hier und dort die Kraft fehlt, die ich an anderer Stelle lassen musste? Wie kann es sein, dass du, Herr noch Gefallen an mir hast, wo alles um mich herum im Chaos versinkt und ich meine Probleme nicht abschalten kann, um loszulaufen und zu helfen? „Was bin ich nur für ein egoistischer Mensch, dass ich mich selbst nicht einfach mal beiseite stellen kann?“ fragt man sich da schnell.

Und in all diesem Gefühlschaos stellt sich die Frage: Wie gehe ich damit jetzt vor und mit Gott um? Und ich glaube allmählich, dass es genau dieser Moment ist, an dem Gott uns haben will. Sind wir unverständig, weil wir nicht begreifen können, warum er all dies zulässt? Sind wir vielleicht wütend auf Ihn, weil wir das Gefühl haben, er hätte uns kraftlos, wie wir geworden sind, im Stich gelassen? Vertrauen wir ihm eigentlich noch? Das sind, zugegeben, sehr harte und sehr persönliche Fragen. Ich für meinen Teil war ehrlich gesagt wütend und ärgerlich auf ihn, auf die Situation, auf mich selbst. Und das passiert auch den sonst ausgeglichensten Menschen irgendwann einmal. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: Ich lese häufig in der Bibel, dass Menschen durch arge Schwierigkeiten und sogar durch ein Ringen mit Gott gehen mussten, um ihn schließlich besser zu verstehen, wieder Mut und Vertrauen fassten und schlussendlich in der Beziehung mit ihm gewachsen sind. Paulus rang dreimal mit Gott, dass er ihm doch den Pfahl im Fleisch entferne, Jakob rang eine ganze Nacht mit dem Herrn, bis der Herr  ihm schließlich die Hüfte ausrenkte – aber auch den Sieg schenkte (das zu erläutern würde aber den Rahmen hier deutlich sprengen).

„Ohne mich könnt ihr nichts tun! (Joh. 15,5)“ spricht Jesus sehr direkt zu seinen Jüngern. Doch das bedeutet nicht, nichts mehr zu tun um des Nichtstuns willen. Nein, „Ohne mich“ heißt es. Wer war es, der sich Sorgen gemacht hat, der Verzweiflung gefühlt und ihr irgendwann nachgegeben hat, der wütend war, der seine „Felle hat wegschwimmen“ sehen? Nur ich. Wer war es denn, der Jesus andauernd vorauseilte und hoffte, er würde mitziehen? Nur ich. Und wer hat bis vor kurzem geglaubt, alles im Griff zu haben? Wieder nur ich, Vergessend, dass Jesus mir die ganze Zeit helfen wollte und ich ihn insgeheim nicht traute, dabei hat er für mich bereits alle Bereiche im Leben selbst durchlitten und weiß doch, wie er welchen Situationen in meinem Leben begegnen muss.

ER hatte Angst im Garten Gethsemane, ER empfand tiefe Trauer, ER empfand Unverständnis über den ständigen Unglauben der Menschen bis hin, dass ER sie fragte „Wie lange muss ich euch noch ertragen (Mt 17,17)“ und Ärger über die Händler im Tempel, dass ER, welcher „Friedefürst“ – zurecht – genannt wird, die Tische umwarf und alle aus dem Tempel vertrieben hat (Mk 11,15).

Was blenden wir noch allzu leicht aus in unseren dunklen Momenten? Dass ER auch Mitleid mit uns hat (Jak 15,11).

ER, der alles auf sich genommen hat, damit wir eine Beziehung zum Vater haben dürfen,
ER, der ins Reich der Toten gestiegen ist und dem Teufel die Schlüssel zur Hölle abgenommen hat (Off 1,18),
ER, dem Gott über seine Jünger den Gerichtsstab übergeben hat, damit der Vater uns nicht mehr richtet (Röm 8,1).
ER, der zur Rechten Gottes sitzt und wir mit ihm durch ihn,
ER, der alles Recht hätte uns zu verdammen
– tut es nicht.
ER wartet jeden Tag darauf, dass sein Sohn, seine Tochter wieder nach Hause kommt (Lukas 15,20).
ER, dessen Name „Ich bin, der ich bin (2.Mo 3,14)“ ist, leidet mit uns.

Und in diesen Momenten, wo wir unser Innerstes vor Gott ausgeschüttet haben, wo wir quasi innerlich nackt vor Ihm stehen, liegen oder sitzen; genau dann sind wir vollkommen entäußert. Dann haben wir nichts mehr zu bringen, zu tun und zu leisten, nichts mehr zu sagen, keine Träne mehr übrig. DANN kann sein Segen endlich fließen, und zwar in ein leeres Gefäß; Dann offenbart ER sich uns, wenn alle Hoffnung dahin zu sein scheint. Was wir nicht können, kann ER umso besser.

Das ist vielleicht das Geheimnis, wenn Paulus sagt, dass wir privilegiert sind, wenn wir um seinetwillen leiden (Phil 1,29). Viele Christen in Gefangenschaft berichten, dass sie eine unglaublich Begegnung mit Jesus hatten, wie sie sie ohne Gefangenschaft wohl nicht erlebt gehabt hätten. In der Welt haben wir Bedrängnis in welcher Form auch immer. Aber sind wir auch getrost und uns allzeit bewusst, dass ER die Welt bereits überwunden hat (Joh. 16,33)? Sind wir uns dessen bewusst, dass ER den Feind endgültig besiegt hat? Wollen wir also Kraft aus seinen Segnungen oder unseren Taten schöpfen oder lieber aus Ihm selbst, der ALLES ist, das Alpha und das Omega? Warum ist unser Ärger, unsere Sorge, unsere Verzweiflung womöglich sogar ein Geschenk oder eine Chance? Weil sie uns Gott näherbringen können als jemanden, der alles hat und immer ein behütetes Leben führte. Aber ist es nun Gottes Schuld, dass er den einen oder anderen nur durch solche Schwierigkeiten näher zu sich ziehen kann, an sein liebendes Vaterherz? Nein, es ist die Schuld des Menschen, dass er Ihm nicht vertraut, nicht genug sucht und sich allzu leicht von seinen Umständen überwältigen und ablenken lässt um schließlich in Aktionismus zu verfallen, um die Sache irgendwie noch rumzureißen.

Doch was sagt denn Jesus über Nöte, Bedürfnisse und Probleme? „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles weitere hinzugetan werden (Mt 6,33).“

Konzentrieren wir uns in diesen schweren Zeiten, wo auch immer ein jeder von uns grade stehen mag und womit jeder von uns gerade zu kämpfen hat, auf IHN und auf SEINE Gerechtigkeit. Dann kann er umso mehr für uns tun, was wir nicht tun können. Das ist kein Abstraktes geistliches Ding, das er uns beschrieben hat. Hier ging es um irdische und mentale Versorgung. Er liebt es, uns zu schützen, zu heilen, zu trösten und mit allerlei anderen Segnungen zu beschenken (Mt 7,7-11), „damit unsere Freude vollkommen sei (Joh 16,23-24)“. Wir dürfen uns bei Jesus bergen und seine Segnungen sogar in Anspruch nehmen, wenn ER an erster Stelle steht und nicht unser Problem. „Kommt, es ist alles bereitet (Lukas 14,17)“ spricht ER doch jeden Tag zu uns.

Ich bete für uns alle in diesen Zeiten, dass wir das begreifen und verstehen, dass ER allein unseren Nöten begegnen kann, wie wir es kaum erahnen können. Sei es durch eine Idee, die wir in einer Tat umsetzen können, sei es durch eine neu entstehende Freundschaft, mit der er uns tröstet und beisteht… Was es auch ist, in ALLEM muss Jesus an erster Stelle und im Mittelpunkt stehen. Ihm gebührt Dank in unseren Freuden wie in unseren Schwierigkeiten, auch wenn wir diesen manchmal erst etwas später aufbringen können.