Müde geworden?
“Aber die auf den Herrn harren, gewinnen neue Kraft.”
Jesaja 40,31
Manchmal ist das Leben schon verrückt. Da passiert einem etwas Tolles, die Arbeit läuft gut, man hat alles, was man braucht und oft noch mehr, kurzum: Läuft. Denkt man. Bis man merkt, dass da etwas nicht stimmt. Wenn alles so gut läuft, müssten wir dann nicht automatisch auftanken in der Zeit des Guten, um für schlechte Zeiten besser gerüstet zu sein? Ist der Mensch nicht wie ein Akku, der durch Positives aufgeladen wird?
Ich musste die Erfahrung machen, dass das nicht immer der Fall ist. Es gibt einfach Phasen, da ist man einfach müde und vielleicht auch etwas niedergeschlagen. Und das, obwohl alles gut zu laufen scheint. Warum ist das aber so? Glauben wir nicht genug? Beten wir nicht genug? Und ganz schnell ist er da: der alles umfassende und der allgegenwärtige von der Gesellschaft gehegte und gepflegte Leistungsdruck.
“Du musst mal…” oder “Du hast nicht genug…” oder “Hättest du mal lieber…” Sind das nicht die Phrasen, mit denen wir konfrontiert werden, wenn wir uns jemandem anvertrauen? Sie meinen es natürlich gut, aber es bleibt ein komischer Nachgeschmack.
Manchmal hat man sogar das Gefühl, als wäre man geradezu dazu aufgefordert, sich für sein schlichtes Menschsein rechtfertigen zu müssen. Das scheint in unserer Seele schon derart verankert zu sein, dass wir das sogar auf unser Glaubensleben projizieren, und das, ohne es zu merken. Wie fatal das doch ist. Und zu guter Letzt kommen die lieben kleinen und großen Sorgen, Selbstzweifel und Co, die uns dann noch den Rest geben. “Darf ich überhaupt einfach nur Mensch sein?” oder “Ist mein Dienst nicht gut genug?” und “Wie soll es nur weiter gehen?” sind dann solche Sorgen und Gedanken, die dann ganz schnell aufkommen.
Wie wertvoll und wohltuend Jesus’ Aussage über das Sorgen-Machen ist, können wir in folgendem Vers lesen:
“Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.”
Matthäus 6,34
In diesem Satz steckt so viel. Es geht nicht nur darum, dass wir uns nicht sorgen müssen. Wir SOLLEN es nicht. Aber sind Sorgen immer negativ? Ich sorge z.B. für meine Arbeitsstelle, dass ich dort, so gut ich eben kann, meinen Job mache. Ich sorge mich um meinen Nachbarn, der immer gegrüßt hat, aber nun seit Tagen nicht mehr aus der Tür kam… Wenn Jesus sagt, dass wir uns nicht sorgen sollen, dann wohl eher, wenn es um uns selbst geht. Er möchte natürlich nicht, dass wir den Nächsten links liegen lassen sollen, á la: “soll sich doch jemand Anderes darum kümmern…” Aber er möchte uns ermahnen und ermutigen, in allen Bereichen unseres Lebens unseren Vater als allzeit verlässlichen Versorger zu sehen, damit wir mehr Kraft für unsere Aufgaben haben.
Wenn wir aufgrund von schlichten Lebensumständen müde werden und uns dann Sorgen machen, hat das eine fatale Wirkung: Es ist ein Teufelskreis. Leben und Mensch-Sein macht manchmal einfach müde. Sorgen bewirken aber, dass wir keine neue Kraft tanken, da Sorgen ebenfalls wieder müde machen usw. Was macht uns aber müde, wenn sonst eigentlich alles gut läuft? Ein Faktor könnte unsere Plan-Mentalität sein. Einkaufszettel, Finanzplanung, Projektmenagement, Familienhandling, geplante Freizeitaktivitäten und und und… Wir sind ständig in Bewegung. Selbst im Nichtstun erwische ich mich, wie ich z.B. über dies und das nachdenke oder ich mache mir Sorgen um einen mir sehr wichtigen Menschen und mache Pläne darüber, wie ich wohl helfen könnte, wenn das überhaupt möglich sein sollte.
Vor ein paar Tagen stieß ich auf folgenden Bibelvers:
“Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne.”
Jesaja 47,13
Im Kontext des genannten Verses geht es sogar darum, dass jemand seine Last versucht, durch Zauberei und vielerlei anderer Dinge zu mildern, dies aber natürlich nicht funktionieren kann, da nur Gott uns die Ruhe geben kann, die wir brauchen, um tatsächlich aufzutanken.
Liebe Leser und Freunde, einige von uns (also hoffentlich nicht alle – aber mich auf jeden Fall eingeschlossen), haben verlernt, nichts zu tun und einfach für eine Weile vor sich hin zu existieren. Das klingt in gesellschaftlichen oder vielleicht auch unter manch christlichem Maßstäben natürlich auf den ersten Blick etwas blasphemisch. Aber ich glaube, wir haben uns, so sehr wir uns auch bemüht haben, dass es nicht passiert, in dieser Welt verstrickt.
Vielleicht nicht unbedingt in den schlechten Dingen, aber zumindest in der Leistungs- und Planungsmentalität und in den Sorgen, die damit einhergehen oder auch unabhängig davon auftreten können.
Können wir noch still da sitzen, und an nichts denken außer an Gottes Wesen? Hören, was er zu sagen hat? Mir gelingt das kaum noch. Ich habe schockiert festgestellt, dass ich seit Monaten nicht mehr – auch nicht einmal für fünf Minuten – einfach nur dagesessen habe und den Kopf auf Durchzug gestellt habe. Ich glaube, das Problem ist, dass wir glauben, uns dürfe das Leid der Menschen und Tiere und die Umwelt ja schließlich nicht egal sein und wir fangen an, über diese Dinge nachzudenken und in Aktionismus zu verfallen. Haben wir im Kopf womöglich Dinge falsch einsortiert? Die Welt wird sich weiter drehen, auch wenn ich mich für ein paar Minuten, Stunden oder Tage mal nicht um alle Probleme der Welt kümmere oder ständig an dieser Welt herumplane, auch wenn es nur meine eigene kleine Welt ist. Natürlich müssen wir unseren Alltag bewältigen. Dort nichts zu tun ist natürlich keine Lösung. Aber wir sind letzten Endes auf Gottes Kraft und auf seine Leitung angewiesen. Wann haben wir uns also auf die Fahne geschrieben, dass unsere oberste Existenz-Priorität diejenige ist, dass wir dazu geschaffen wurden, der Gesellschaft oder gar dem Planeten zu dienen? Wie in allen Dingen, ist wohl das Maß wichtig. Wir können nur das geben, was wir haben, denn wir sind ein Gefäß, das vor dem Ausgießen erst befüllt werden muss.
Nämlich von der Kraft Gottes, mit der wir dann wiederum hinausgehen und dienen können, und vorzugsweise nicht (oder so wenig wie möglich) mit unseren eigenen Gedanken, Weisheiten und Plänen. Natürlich hat Gott uns einen Verstand zum Nachdenken und Problemlösen geschenkt. Diesen sollten wir selbstverständlich nicht abschalten 😉
Ich muss mir aber die Frage stellen: Bin ich müde, weil ich zu viel leiste und grüble oder bin ich müde, weil ich zu wenig mit Gott zusammen bin, ganz ohne etwas leisten zu müssen, auf dass er mich füllen kann?
Unserem Gott können wir nichts bringen außer uns selbst, und selbst das hat er vorher so erschaffen. Er möchte, dass wir ihn in unser Leben einbeziehen, auch in unsere Gedanken und Planungen. Der Dienst, der daraus erwächst, dass Gottes Kraft uns erfüllt, ist dann schließlich ein Dienst, der uns nicht auslaugt. Wir schaffen das nicht aus eigener Kraft. Und manchmal müssen wir auch lernen, uns nicht um die ganze Welt kümmern zu wollen. Gott hat für jeden Bereich seiner Schöpfung den passenden Begabten. Machen wir doch EINE Sache, für die wir von Gott mit Talent gesegnet wurden, von ganzem Herzen richtig und lassen Anderen mit ihren Talenten das andere Feld bearbeiten.
Ein von mir sehr geschätzter Pastor sagte einmal: “Gottes Reich ist wie ein Puzzle. Jedes Teil passt nur an eine bestimmte Stelle.”
Vielleicht bemühen wir uns einfach zu sehr darum, irgendwo hineinzupassen, wo wir eigentlich nicht hineinpassen können. Wenn wir aber dann mal unseren richtigen Platz gefunden haben, können wir unverrückbar genau da sein, wo Gott uns hingestellt (oder gar hingelegt) hat.
-Shalom